Heimatsuche in einer unheimlichen Sprache in den Werken von Freddy Derwahl und Leo Wintgens

In den um die Jahrtausendwende veröffentlichten Romanen der deutschsprachigen belgischen Schriftsteller Freddy Derwahl und Leo Wintgens spielt das Thema der Heimatsuche eine wichtige Rolle. Die Protagonisten suchen ihre Heimat, die in den Romanen keine rein topographische Bedeutung hat, unter anderem in der Sprache. Jedoch ist - aufgrund der schwierigen Vergangenheit der Region - das Verhältnis zur Muttersprache nicht unproblematisch. Im vergangenen Jahrhundert wechselte das deutschsprachige belgische Gebiet nämlich mehrmals zwischen der belgischen und der deutschen Staatszugehörigkeit. Somit kämpfte die Bevölkerung während der zwei Weltkriege auf deutscher Seite, gegen ihre niederländisch- und französischsprachigen Nachbarn, Freunde und Familienmitglieder. Noch lange nach den zwei Weltkriegen verursachte dies ein Gefühl von Misstrauen gegenüber den deutschsprachigen Belgiern, was dazu führte, dass sich die deutschsprachige belgische Bevölkerung in der eigenen Muttersprache nicht mehr heimisch fühlte und sie teilweise aufgab. Freuds Überlegung zufolge, dass das Unheimliche zu einer verdrängten Vergangenheit in Verbindung gesetzt werden kann, könnte auch in diesem Fall das unheimliche Gefühl, das von der Sprache verursacht wird, mit der Verdrängung der Vergangenheit verbunden werden. Wichtig in dieser Hinsicht ist die Entwicklung, die in den Romanen von Derwahl und Wintgens aufgezeigt werden kann: Die Sprache entfaltet sich von einem Konfliktbereich zu einer Kontaktzone, die die mentalen Grenzen zwischen den Menschen aufheben kann, indem sich die Protagonisten mit der Vergangenheit ihrer Heimatregion auseinandersetzen. Diese Befunde werden anhand der Lotman'schen Theorie der Semiosphäre besprochen.